© Angelika Wulff

Vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sehen

Von der Unkenntnis trauernder Angehöriger im Dickicht medial vermittelter Halbwahrheiten

Täglich bekommen Bestatter die scheinbar nüchterne und aufgeklärte Frage gestellt: „Was kostet bei Ihnen eine Bestattung?“ Täglich leisten Bestatter im Dienste einer eingehenden und individuellen Beratung Aufklärungsarbeit, bei der Menschen im Nachgang verstehen, dass eine Bestattung unmöglich für 999 € zu organisieren ist. Die aktuelle Ausgabe der bestattungskultur befasst sich mit dem Thema der Waldfriedhöfe. Schon hier sind nicht bei Bestattern, aber bei Angehörigen die Weichen durch massive Fehlinformationen auf Irrtum gestellt: Waldfriedhöfe werden mit den Anbietern von Bestattungen von Urnen an den Wurzeln von Bäumen in Wald-Arealen verwechselt, der Markenname des Anbieters „FriedWald“ wird in einem Zusammenhang mit dem schönen Begriff der sogenannten „naturnahen Bestattung“ genannt, als ob eine Bestattung auf einem Friedhof nicht naturnah wäre. Wenn es um Fragen der Feuerbestattung geht, wissen viele Menschen nicht, dass die Kremierung jeweils individuell vorgenommen wird. Begriffe wie „pflegefreie Gemeinschaftsgrabanlage“ werden mit anonymen Rasengräbern durcheinander geworfen.

Halbwahrheiten und Fehlinformationen

Wie soll der Bestatter das Dickicht der Fehlinformationen durchdringen? Keinesfalls kann er sozusagen mit dem Buschmesser radikal eine Schneise schlagen, er muss einfühlsam und verständnisvoll beraten. Menschen sind im Falle einer Trauersituation besonders sensibel und besonders manipulierbar. Bestatter wissen, dass viele sogenannte „neue und moderne Bestattungsformen“ nicht halten, was sie den Menschen in romantisierenden Bildern vorspiegeln. Das gilt für den herbeigeredeten Trend zur Bestattung im Wald genauso wie für die Mogelpackung einer „anonymen Beisetzung zur See“, worunter eigentlich nur das Verbringen von Urnen aufs Meer gemeint ist und was mit einer würdigen Seebestattung von Qualitätsanbietern rein gar nichts zu tun hat.

Vertrauensvolle Beratung

Immer wieder erfahren Bestatter auch, wie skeptisch Menschen Ihnen begegnen und erst durch eine vertrauensvolle Beratung Vertrauen fassen. Wer Menschen durch einfühlsame Nachfragen begleitet, wird einen Effekt des Umdenkens erreichen können: „Meinen Sie wirklich, dass im Winter das Grab ihres Mannes im verschneiten Wald gut zu erreichen ist?“ – „Was ist bei einer Bestattung in einem einfachen natürlichen Holzsarg auf einem Friedhof weniger naturnah als die Beisetzung einer Urne im Wald?“

Menschen an die Hand nehmen

Der skizzierte Weg wird noch viele Jahre Geduld und Beharrlichkeit brauchen, Menschen in ihrer Trauersituation an die Hand zu nehmen und mitzunehmen zu einer eigenverantwortlichen fundierten Entscheidung. Hier trennt sich Spreu von Weizen, hier trennen sich Menschen, die sich nur mit Toten befassen vom ausgebildeten Bestatter, der verstanden hat, worum es in seiner Aufgabe fachlich, emotional und kulturell geht. Folgender Satz fällt häufig: „Ich kann ja auch nichts machen, die Leute kommen zu mir und wollen eine solche Bestattung!“ Ich widerspreche: Die Menschen wollen das, zu dem sie durch einen ausgebildeten Bestatter geführt und begleitet wurden. Zu behaupten, die Leute wollten etwas definitiv, setzt voraus, dass ein umfänglich informierter Kunde das Bestattungshaus betritt.

Oliver Wirthmann