Wahlverwandte in Trauer - Interview mit Chris Paul vom TrauerInstitut Deutschland

Witwen und Witwer sind von der Trauer um Angehörige auf besondere Weise betroffen: Oft verändert sich ihr Leben in allen Bereichen gleichzeitig. Chris Paul, Leiterin des TrauerInstituts in Bonn, erklärt die spezielle psychologische Problematik dieser Trauersituation.

bestattungskultur: Was zeichnet die Trauer von Witwen und Witwern aus?

Chris Paul: Bei Ehe- oder Lebenspartnern handelt es sich um Wahlverwandtschaften, also Menschen, mit denen ich das Zusammenleben gewählt habe, die aber in keinem verwandtschaftlichen Verhältnis zu mir stehen. Tatsächlich ist es für Witwen und Witwer fast unmöglich, es der Gesellschaft recht zu machen. Trauern sie zu lange um den verlorenen Partner, dann wird ihnen geraten, doch weiterzuleben, neue Beziehungen einzugehen, sich nicht zu vergraben. Wählen sie dagegen schnell einen zweiten Lebenspartner, dann wird ihnen vorgeworfen, zu leichtfertig den ersten Partner aufgegeben zu haben, ihn zu schnell zu vergessen.


bestattungskultur: Was ist Ihr Ansatz in der Trauerbegleitung?

Chris Paul: Ich arbeite ressourcenorientiert. Das bedeutet: Das Überleben hat Vorrang. Es gilt, Bereiche zu stärken, die funktionieren, die Stabilität bringen. Auch wenn man die Trauer nicht wegdrängen sollte, ist es meiner Ansicht nach ebenso falsch, in ihr zu versinken. Hierbei können Rituale helfen, Zeiten, in denen ich bewusst trauere, und andere, in denen ich versuche, für mich etwas zu tun. Das nenne ich „Pendeln“ zwischen dunklen und hellen Gefühlen. Indem ich meine Trauer so strukturiere, gewinne ich ein Stück Selbstbestimmung zurück.

bestattungskultur: Wie geht man mit Einsamkeit um?

Chris Paul: Das ist meist das Problem von alleinstehenden Witwen und Witwern, wobei das soziale Umfeld manchmal grausam sein kann. Tatsächlich gelten plötzlich Einladungen, die man als Paar bekommen hat, nicht mehr für einen alleine. Das erleben viele als sehr frustrierend. Der Tod des Partners bedeutet eine radikale Veränderung, das ganze Leben ändert sich, mitunter auch der Freundeskreis. Zugegeben: Das ist natürlich noch schwieriger, wenn man selbst alt oder nicht gesund ist. Doch habe ich oft die Erfahrung gemacht, dass der Mensch sehr anpassungsfähig ist.


Das vollständige Interview finden Sie in der bestattungskultur-Ausgabe 4.2015, Seite 10.